Eine erste Zwischenbilanz
Die Wohnung aufzulösen, die Schweiz zu verlassen, den Dude am Hafen abzuliefern und Freunde & Familie zu verabschieden war emotional sehr anspruchsvoll. Dadurch sind wir mit ziemlich leeren Batterien in diese Weltreise gestartet. Es dauerte seine Zeit, bis wir uns eingelebt und unseren Reiserhythmus gefunden haben. Unsere mangelnde Campingerfahrung von lediglich 2 bis 3 Wochen trug zusätzlich ihren Teil hierzu bei. Doch langsam nahmen wir Fahrt auf. Es gab vieles zu lernen und zu entdecken:
So schaffte Simon es nach einigen Versuchen, die Timelapse-Aufnahmen zu machen, ohne dass uns die Kamera einfror. Er hat in den letzten Monaten grosse Fortschritte im Fotografieren und im Bearbeiten der Bilder erzielt.
Nachdem wir den Winter in Nova Scotia hinter uns gelassen haben, mussten wir uns zum ersten Mal in der Welt der verschiedenen Parks (National Parks, Provincial Parks, Territorial Parks) und kommerziellen Campgrounds zurechtfinden. Die schönsten Campgrounds fanden wir unter den Gratis-Campgrounds in British Columbia. Diese bieten mit Firepit und Campingtisch meistens auch eine grandiose Aussicht. Im Gegensatz dazu sind die kostenpflichtigen Campgrounds in den National- und Provincial-Parks oftmals mitten im Wald und ohne jegliche Aussicht angelegt worden. Die kommerziellen Campgrounds sind sehr teuer, liegen meist direkt neben der Strasse und laden nicht gerade zum verweilen ein… Somit lautet unser Fazit für die Campgrounds: Je teurer desto schlechter die Aussicht. Die besten Übernachtungsplätze sind gratis.
An das Einkaufen in Nordamerika mussten wir uns erst gewöhnen: es ist preislich von Vorteil, riesige Portionen zu kaufen. Wir lernten, grosse Packungen zu kaufen, zu unterteilen und einzufrieren (zum Glück haben wir eine zweite Kühltruhe in der Fahrerkabine, die eigentlich für kühle Getränke vorgesehen war). Zudem haben wir angefangen so einzukaufen, dass wir für mindestens eine Woche versorgt sind. Dies gibt uns die Freiheit irgendwo ins Niemandsland zu fahren und so lange da zu bleiben, wie es uns gefällt. Die stressigen Einkaufstage in den grösseren Städten und Ortschaften – die wir als «Arbeitstage» betiteln – können wir dadurch minimieren.
Die Dieselpreise in diesem riesigen Land können sehr verschieden sein. Mit unserem nicht ganz bescheidenen Tank ist es klug, die Preise zu vergleichen bevor wir volltanken 🙂 Gasbuddy spart uns hier ca. 10% der Kosten.
Mit den steigenden Temperaturen bot sich uns endlich die Möglichkeit, draussen am offenen Feuer zu kochen. Mit Dutch-Oven und Muurikka bewaffnet machen wir uns freudig an’s Werk. Wir braten, schmoren und backen auf dem offenen Feuer. Es gelingt uns immer besser ein geniessbares Vollkornbrot in der Glut zu backen.
Da Simon beim Fischen immer besser wird, können wir auch ab und zu einen selber gefangenen Fisch vom Grill geniessen.
Auch unser Blog wurde besser: In der neuen Imagewall kann man unsere Bilder endlos durchscrollen, und Karten der einzelnen Regionen fassen unsere Beiträge geografisch zusammen.
Highs
Die Highlights unserer bisherigen Reise waren die winterlichen Landschaften in Nova Scotia, die unglaubliche Artenvielfalt in Valdez, die Fahrt auf dem Dempster Highway, der Tombstone Territorial Park sowie der Kluane National Park. Durch die viele Zeit, die wir im Freien verbringen, erleben wir die Natur und die Tierwelt viel intensiver als früher. Da sind die kleinen Streifenhörnchen, mit denen wir unseren Campground teilen; die Elche, welche graziös vor unserem Platz durchs Wasser schreiten; die Loonies, diese virtuosen Wasservögel, die uns mit ihrer Stimmenvielfalt verzaubern; die springenden Fische im See, welche die Angler zum verzweifeln bringen können indem sie nicht beissen wollen; die Bären, denen wir lieber nicht allzu nahe kommen… all dies zu sehen und zu erleben ist wunderschön. Den gewaltigen, farbenprächtigen Sonnenuntergängen über den endlos scheinenden Horizont könnten wir stundenlang zuschauen. Und vor ein paar Tagen durften wir ein anderes Naturphänomen zum ersten Mal in unserem Leben bestaunen: Aurora Borealis – Nordlichter. Ein faszinierendes Schauspiel in kompletter Ruhe an einem windstillen See!
Lows
Natürlich ist beim Reisen nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die sogenannten «Arbeitstage», ausgefüllt mit Einkaufen, Abwasser entsorgen, Frischwasser organisieren und kleineren Reparaturen kosten uns jeweils Energie und viel Zeit. Auch die zwei Steinschläge kurz nacheinander (Frontscheinwerfer-Abdeckung und Frontscheibe) mussten wir erst verdauen – aber unser Dude macht uns sonst nur Freude und läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. Leider hatten wir die vergangenen Monate sehr viel schlechtes Wetter: zuerst Nova Scotia mit außergewöhnlich viel Schnee, was sich im Rückblick als Glücksfall für die Fotos herausgestellt hat). Danach hatten wir im Norden von British Columbia und in Alaska und für ca. 2 Monate mehrheitlich Regentage und kalte Temperaturen. Wir wissen nun, dass wir 3000 Seiten in einer Woche lesen können und dass wir uns auch auf den wenigen Quadratmetern nicht gegenseitig auf den Geist gehen, sondern dies zusammen sehr gut meistern können. Was wir aber von den Kanadiern lernen können ist, sich nicht vom Wetter beeinflussen zu lassen und das, was man sich vorgenommen hat, trotzdem zu unternehmen – man muss einfach vorher die Kleiderwahl nochmals überdenken… Etwas Positives bringt das schlechtere Wetter auch mit sich: bis heute haben wir keine Bugs (aka Fliegen, Moskitos und Black Flies) erdulden müssen. Diese können hier oben zu einer richtigen Plage werden und versauen den besten Tag.
Es gibt Momente, in denen wir unsere Familien und Freunde sehr vermissen. Die Errungenschaften der modernen Kommunikation wie Skype und WhatsApp nutzen wir rege. Aber wenn über ca. 2000 km und mehr als einen Monat kein Handy-Empfang (geschweige denn eine Internet-Verbindung existiert) wird’s schwierig… Ich bin froh, wieder am Rande der Zivilisation zu sein und diesen Blog schreiben zu können. Das Fernsehen vermissen wir überhaupt nicht – aber so lange ohne Verbindung zur Aussenwelt und zur Familie zu sein, ist ungewohnt und bereitet uns noch Mühe.
Was wir auch vermissen, ist guter Käse (Voll das Cliché, doch im Ausland wird man zum Patriot). Wenn wir wieder einmal einen geschmackvollen, bezahlbaren Käse finden, dann ist es wie eine Offenbarung… so richtig Schweizerisch eben. Apropos: am 1. August haben wir zur Feier des Tages einen Bear-Bang abgefeuert 🙂
Freundschaften
Genug der Kontras einer Weltreise. Die Begegnungen mit den Menschen, ihre Geschichten, ihre Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft bereichern unsere Reise ungemein. Wir freuen uns immer, wenn wir Camping-Nachbarn im Busch erhalten. Die offenen und weltgewandten Kanadier sind tolle Gastgeber und ein humorvolles Volk, welches auch über sich selbst lachen kann. Ein paar Tage mit den gleichen Menschen zu verbringen, macht uns Spass und wir bilden neue Freundschaften. Es ist auch immer interessant, Reisende zu treffen, die das gleiche Ziel haben wie wir (die Trans-Americana). Wir sind gespannt, ob und wo wir diesen wieder begegnen. Apropos Begegnung: <Trommelwirbel> Wir freuen uns sehr, die ersten Besucher auf unserer Reise aus der Heimat willkommen zu heissen! Unsere Freunde Isa und Adi werden diese Reise in den nächsten 4 Wochen begleiten. Zusammen bereisen wir Vancouver Island und die National Parks von British Columbia. Es wird sicher toll <Feuerwerk>!!! Fragt sich nur, wo wir all die notwendigen Vorräte verstauen…
Fazit
Es fühlt sich definitiv nicht mehr an, als ob wir nur kurz in den Urlaub gefahren wären. Wir sind im Reisen angekommen, aber absolut tiefen-entspannt würden wir es noch nicht nennen. Aktuell entwickelt sogar Simon eine «Mañana»-Kultur. Auch einen Tag mit Nichts-Tun zu verbringen, stellt für ihn kein Problem mehr dar (Ich kann es fast nicht glauben :-)) Am Morgen schauen wir jeweils aus dem Fenster und nehmen das Wetter so, wie es sich präsentiert. Wir geniessen die schönen Tage und sitzen am Abend gemütlich am Feuer. So haben wir es uns vorgestellt…
Was würden wir anders machen? Diese Frage können wir nach so kurzer Zeit noch nicht beantworten. Wir wollen zukünftig noch mehr lokale Feste und Veranstaltungen besuchen. Wir haben auch beschlossen, nach einem Jahr eine grosse Auslegeordnung zu machen: alles, was wir im ersten Jahr der Reise nie gebraucht haben, wird aussortiert und verschenkt. Dann ist auch die Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen zur Ausstattung und der Ausrüstung. Bis dahin sind es noch 175 Tage voller Überraschungen, Erfahrungen und neuen Bekanntschaften.
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