«Mexico light» in der Baja California
Der Grenzübertritt nach Mexico war im Rückblick erstaunlich einfach. Klar, wir haben uns vorher ausführlich über die mexikanischen Bestimmungen informiert, was mehr Unsicherheit als Sicherheit hervorgerufen hat. Von wegen nur eine Kamera pro Person, oder lediglich 8 DVDs, 30 CDs, 1 Computer, 5 Spielsachen etc. Praktisch alle Bestimmungen überschreiten wir. Egal, dachten wir uns. Andere schafften das auch. Also ab zur Grenze. Aber nicht die 18-spurige Hochsicherheitsanlage in San Diego/Tijuana, sondern das kleine Grenzstädtchen Tecate soll’s richten. Und in Tecate war’s dann ganz „gemütlich“, beinahe familiär. Lediglich 2 Fahrspuren führen nach Mexico, wobei die mit dem Dude drin gleich geschlossen wird. Eine kurze Besichtigung vom Innenraum für die Grenzbeamten und los geht’s mit dem Zick-Zack-Lauf zwischen verschiedenen Schaltern. Immer ein Dokument mehr oder eine Kopie weniger in den Händen und um ein paar Pesos leichter – aber am Schluss sind die nötigen Stempel im Pass und der Dude erhält eine Bewilligung für 10 (!) Jahre. Bueno!
Nach den ersten Metern in Mexiko fühlen wir uns in eine andere Welt versetzt. Wie Wurmlochreisen. Oder gebeamt. Alles ist anders: Gerüche, Farben, Fahrweise, mehr oder weniger organisiertes Chaos. Überall hören wir Musik, die Menschen sind fröhlich und laut, entlang der bunten Häuser gibt es verschiedenste Food-Stände. Simon würde am liebsten alle fünf Meter anhalten und die Köstlichkeiten probieren, die angeboten werden: Tacos, Tamales, Quesadillas, Früchte und Säfte. Hunde, Esel, Pferde und Hühner laufen durch die Strassen. Und auch die Menschen bewegen sich wieder zu Fuss fort. Das Leben findet grösstenteils draussen statt. Auf das haben wir uns richtig gefreut! Ab geht’s in den Süden.
Die Mex1 – auch «Gringo-Highway» genannt – führt quer durch die Baja California. Schnell stellen wir fest, dass hier etwas arg an Asphalt gespart wurde. Sie ist schmal, zu schmal. Wenn uns ein Lastwagen entgegenkommt heisst es tief einatmen, beten dass der andere Fahrer aufpasst und nicht gerade die runtergefallenen Tamales aufhebt, schön gerade aus schauen, versuchen, nicht reflexartig die Augen zu schliessen, den Angstschweiss ignorieren und noch mehr beten… Puuh! Die Augen wieder aufmachen und tief durchatmen. Uuuzaaah, den Puls in Normalzustand bringen. Weiterfahren. Erst in der Baja California Sur ist die Breite der Mex1 angenehmer – oder wir haben uns bereits daran gewöhnt 🙂
Für die Weihnachtszeit suchen wir das Kontrastprogramm zur Schweiz: Shorts und T-Shirt, Strandbar, Palmen und Margaritas. Dafür ist es jedoch im Norden der Baja 10 Grad zu kalt. Also: weiter runter! Zudem sind wir nach 9 Monaten «on the road» ziemlich erschöpft und reisemüde. Das mag jetzt unpassend klingen, doch wir brauchen dringend Urlaub vom Reisen. Ruhe und Erholung, um das Erlebte zu sortieren und um die Seele ankommen zu lassen. Um dann mit neuem Schwung in Mexiko eintauchen zu können. Somit haben wir in San Lucas unseren Anker ausgeworfen, den Standplatz sogleich für 3 Wochen bezahlt, die Markise und den Teppich ausgerollt und das Bier kühlgestellt. Die drei Wochen des Müssiggangs vergehen wie im Flug: Unsere Nachbarn Sue & Royce führen uns in die Snowbird-Community ein. Fortan durfte Irene zweimal die Woche zum Alt-Männer-Pokern und unsere ersten Weihnachten fern von zu Hause feiern wir gemeinsam mit einem grossen Essen. Sylvester verbringen wir für unsere Verhältnisse sehr ungewöhnlich: Gemütliches Strand-Lagerfeuer und wir sind vor Mitternacht im Bett… Wer hätte das gedacht… Da fehlte wohl die Langhaus-Gemeinde der vorhergehenden Jahre!
Nach Neujahr fahren wir erholt weiter und campen endlich an dem lang ersehnten ersten Sandstrand! Nach ein paar Tagen Strand-Urlaub begeben wir uns bestens gelaunt zur Magdalena Bay, wo wir Grauwal-Mamas mit ihren Jungen beobachten wollen. Wollten. Waren nämlich keine da, oder wollten sich nicht von den Touristen abbilden lassen. „Yeah, nature sucks!“ Egal, dieses Erlebnis wird von uns kurzerhand nach Südamerika vertagt.
Die Baja ist ein idealer Ort für Surfer, Kite-Surfer, Taucher und Fischer. Für Schnorchel-Freunde und Schwimmer sind die meisten Strände nicht so gut geeignet. Der Wellengang oder der Wind ist zu stark. Landschaftlich ist die Baja sehr karg, mit wenigen Ausnahmen. Im Winter herrscht hier ein angenehmes Klima, welches viele Amerikaner und Kanadier für die kalte Jahreszeit in die Baja zieht. Darum mussten wir unsere spärlichen Spanisch-Kenntnisse kaum anwenden. Wir empfinden die Baja als das «Qualifying für das echte Mexiko». Das Festland Mexiko bietet mit den verschiedenen Klimazonen, hübschen Dörfern und Städten, alten Tempeln, gelebter Kultur, üppiger Vegetation und schönen Stränden vieles zu entdecken.
Südlich von La Paz, am legendären Cerritos Beach, treffen wir das erste Mal seit Langem auf andere Panamericana-Reisende. Wir lernen die obligaten vier W-Fragen: Woher? Wohin? Seit wann? Bis wann? Alle organisieren sich in der Baja für den weiteren Reiseverlauf und geniessen die Vorteile des gratis Beach-Campings und der Weltreise-Community. Es werden Ersatzteile bestellt, Notreparaturen gemacht, Chassis geschweisst, die Weiterreise geplant, Bekanntschaften geknüpft, Kontakt-Daten ausgetauscht, Reisetipps und Infos weitergegeben, Hunde adoptiert. Das Fachsimpeln, Quatschen, Faullenzen und Schnorcheln hält uns wieder einmal sehr erfolgreich vom Spanisch lernen ab… dafür lernen wir viele Gleichgesinnte kennen, die wir hoffentlich von Zeit zu Zeit auf der Reise wieder treffen werden.
Am nächsten Beach verleben wir zwei ruhige – von Spanisch büffeln geprägten Tage – bis wir nach dem Schnorcheln einen uns verdächtig bekannt vorkommenden orangen Van hinter unserem Dude entdecken… John und Mandi, die wir am letzten Beach kennen gelernt hatten, haben sich wieder zu uns gesellt. Und vorbei ist’s mit dem Lernen. 🙂 Auch die Anderen vom Cerritos Beach trudeln nacheinander in Cabo Frailes ein. Obwohl die Tage mit unseren Overlander-Freunden wie im Flug vergehen und wir die Beaches der Baja geniessen (wenn’s für einmal nicht so stark windet) merken wir, dass es an der Zeit ist, aufs Festland von Mexiko überzusetzen.
Bevor wir mit der Fähre von La Paz nach Mazatlán fahren, buchen wir noch zwei Schnorchel-Trips. Das Schnorcheln mit Whale-Sharks ist ein Erlebnis der anderen Art. Die riesigen Walhaie finden sich in der Bucht vor La Paz ein, um ihre Jungen zu gebären. Als der erste Walhai an unserem kleinen Panga vorbeischwimmt, bin ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob ich da wirklich reinspringen soll. Ich wusste, dass sie gross sind. Aber sie sind riesig. Immens. Gigantisch. Alle Anderen wagen sich mutig in das tosende Meer. Tief einatmen und schon bin ich im Wasser. Da die Sicht durch das reichhaltige Krill und den hohen Wellengang getrübt ist, schwimme ich in die Richtung, in der ich den Walhai vermute. Und plötzlich taucht das riesige Tier vor mir auf. Reisst das schrankgrosse Maul auf. Nah. Sehr Nah! Da sie senkrecht im Wasser stehen um das Wasser zu filtern, verschwindet der riesige Körper in der Tiefe des Meeres. Ich vergesse beinahe zu atmen. Dieses Erlebnis in Worte zu fassen ist schwierig. Es ist beinahe surreal. Und dabei handelt es sich hier noch nicht mal um ausgewachsene Walhaie, sondern um mittelgrosse Jugendliche!
Der zweite Trip führt uns zur Isla Espiritu Santo. Das Meer ist an diesem Tag bedeutend ruhiger und wir hoffen, diesmal nicht im Wasser beim schnorcheln seekrank zu werden… Die Seehund-Kolonie befindet sich auf einem Felsen am Ende der Insel. Als wir mit dem Panga in die Nähe kommen, bemerken wir zuerst den etwas strengen Geruch. Die Seehunde sonnen sich auf dem Felsen und begrüssen uns mit ihrem unverkennbaren Rufen. Flossen und Schnorchel sind schnell montiert und schon sind wir im Wasser. Die Seehunde beäugen uns interessiert und schnell sind einige im Wasser um zu sehen, wer sich da in ihrem Revier tummelt. Sie schwimmen so elegant und wendig um uns herum, dass es mir beinahe schwindlig wird. Sie nähern sich neugierig und spielen mit unseren Flossen. Wenn die Jungen zu übermütig werden, begibt sich Vater-Seehund ins Wasser und sorgt für Ordnung. Das heisst, die Jungen gehen an Land und wir ziehen uns schnell und ehrfürchtig zurück. 🙂
Hier unser Video dazu.
Dann heisst es Abschied nehmen von der Baja. Zusammen mit anderen Panamericana-Reisenden (John & Mandi, Rico & Marina und Kevin & Daniela) begeben wir uns zum Ferry-Terminal von La Paz und warten auf die Überfahrt nach Mazatlán. Lucky: Der Dude ging als LKW durch und nicht als Wohnmobil, was uns einige tausend Pesos gespart hat. Die können wir bestimmt anderweitig investieren…
Zum Abschluss noch ein paar Stimmungsbilder zur Baja California.
Unser Fazit: Die Zeit in der Baja war toll, aber jetzt freuen wir uns auf neue Abenteuer und auf das «richtige» Mexico!
4 Comments
Leave your reply.